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Pressemitteilung zur Ausstellungseröffnung von Gabriela Morschett Dienstag, 31. Januar 2012, 19 – 21 Uhr Drahtskulpturen, Radierungen, Zeichnungen Zur Einführung spricht Silvana Gebhart, Kunstwissenschaftlerin Führung mit Apéro am 1. und 8. März, 18 Uhr Finissage: Samstag, 17. März 2012, 12 – 16 Uhr
Zum zweiten Mal zeigt Gabriela Morschett Radierungen, Zeichnungen und Drahtskulpturen in der Galerie Grashey. Gabriela Morschett, 1955 in Stettin geboren, studierte an der Freien Hochschule für Bildende Kunst in Freiburg i.Br., lebt und arbeitet in Müllheim bei Freiburg. 1993 erhielt sie den Kunstförderpreis der Markgräfler Kulturstiftung. Ausstellungen: (Auswahl) 1995: Markgräfler Museum, Müllheim; 2001: Städt. Galerie Schwarzes Kloster, Freiburg; 2002: Galerie nota bene, Genf; 2006: Galerie Mollwo, Riehen, Schweiz. Beteiligungen: 2004 und 2006 Teilnahme an der Biennale für Zeichnung in Pilsen, Tschechien (Gabriela Morschett erhielt den Ehrenpreis). Die Zeichnungen der Preisträger wurden von 2004-2006 in Warschau, Budapest, Brüssel und Bergamo ausgestellt. 2007: Nationalmuseum Gonjiun, Südkorea; 2008: Regierungspräsidium Karlsruhe; Morat-Institut Freiburg; 2011: Kunstsalon München, Haus der Kunst. Ihre neuen Arbeiten zeigen eine Auseinandersetzung mit Schnittstellen dieser künstlerischen Sparten. Die feinen, in Tusche gearbeiteten Linienzeichnungen weisen auf eine Struktur, die sich in den Drahtskulpturen wiederholt. Bewegung ist ein Schlüsselwort in ihrem Werk. “Ich erforsche den Bildraum durch komplexe lineare Strukturen” (Zitat G. Morschett). Die Künstlerin verfolgt das Zeichnen als einen kohärenten Prozess. Das Arbeiten in Serien und Reihungen macht Prozesse, Bewegungen und Veränderungen sichtbar und wird von der Künstlerin als Aufeinanderfolge von Variationen geschaffen. Dies findet vor allem in der Radierung Anwendung, wo Strichätzung, Kaltnadel, Mezzotinto und Aquatinta kombiniert werden. Die aus schwarzgeglühtem Eisendraht gearbeiteten Skulpturen verstehen sich als Raumzeichnungen, denn “die Skulptur kann als Zeichnung, die Zeichnung als Skulptur gesehen werden” (Zitat G. Morschett). Sie zeigen einen kontinuierlichen und kohärenten Fluß, der in eine endliche Form gezwungen wird. |
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Rede von Silvana Gebhart, Kunstwissenschaflerin, zur Ausstellungseröffnung
Liebe Ursula Grashey, liebe Gabriela Morschett, liebe Freunde der Galerie, Ich freue mich, heute Abend hier sein zu dürfen, und Ihnen vorab die Werke Gabriela Morschetts (ein wenig) näher zu bringen. Gabriela Morschett ist 1955 in Stettin geboren und lebt und arbeitet in Müllheim im Breisgau. Ihre Werke wurden bereits mehrfach im süddeutschen Raum und der Schweiz ausgestellt, aber auch in Gruppenausstellungen unter anderem in Tschechien, Belgien oder Südkorea. Bereits zum zweiten Mal können wir ihre Werke und Reflexionen über Denkprozesse nun in diesen Räumen betrachten. In all ihren Werken finden wir die Linie auf unterschiedlichste Weise, mal als Einzellinie, mal als unendliches Knäuel, als Ausbruch oder als verdichtete Fläche. Die Linie ist etwas Elementares: Sie ist die Grundlage jeder Zeichnung und jeden schriftlichen oder malerischen Ausdrucks der Lebendigkeit. Schon Kandinsky bezeichnet die „Linie als bewegte Spur des Punktes“, als Fahrtrinne der Energie. Sie ist immer in Bewegung, fließt und kann gleichzeitig die unterschiedlichsten Formen annehmen: Wie der Mensch, der durch sein Denken unendlich formbar bleibt. Sie zeugt von der konkreten Auseinandersetzung der Künstlerin mit sich selbst, ihrer Umgebung und Position in der Gesellschaft und wirft auch den Betrachter auf diese zwischenmenschlichen Positionsfragen zurück. Unter anderem in Zeichnungen wird von der Künstlerin der Bildraum durch die Linie erforscht. Die Einzellinie verstrickt sich in vielseitigen Kurven und Schlingen. Sie bildet ein endloses Gewirr, welches in seiner Verdichtung immer weiter wächst und dadurch bildlich gesprochen an Stärke gewinnt. Es entstehen teils geballte Felder, die in sich ruhend und eher passiv erscheinen. In anderen Momenten erleben wir die Linie als filigrane Einzelfäden, die aus dem Gewirr herausragen. Sie stehen in Konkurrenz zu den gefestigten Flächen und es beginnt ein endloser Dialog zwischen Verdichtung und Auflösung. Gabriela Morschett bezeichnet die Linie und ihre vielseitigen Ausdrucksformen als ihre Form der Sprache: Es ist ihre Möglichkeit, sich auszudrücken. Intuitiv wird das Innere direkt nach außen gekehrt. Sie stellt sich hier selbst gewissermaßen in die Tradition der Surrealisten und des Automatischen Schreibens. Auch schon Gründer und führende Vertreter der surrealistischen Bewegung wie André Breton oder Max Ernst übten sich in der „écriture automatique“, im sogenannten Automatischen Schreiben. Sie versuchten auf diese Weise ohne Absichtlichkeit oder Kontrolle, Gefühle und Denkprozesse nach außen zu kehren und dadurch ungenutztes kreatives Potential zu aktivieren. Das Ziel hierbei war es, dem Traumhaften, dem Inneren, eben dem Surrealen mehr Bedeutung zu geben. Mit verschiedenen Techniken versuchten sie den durch die menschliche Logik begrenzten Erfahrungsbereich durch das Phantastische und Absurde zu erweitern. Auch Gabriela Morschett sieht die Essenz zur Existenz in den zumeist ungenutzten kreativen Potentialen. Sie sollen auf diesem Weg durch die energetischen Kunstwerke zurückerobert und nach außen getragen werden, in einer ganz eigenen Sprache. Die Höhlen von Ariège bilden mit ihren prähistorischen Malereien ein Faszinosum, welches immer wieder in die Reflexionen der Künstlerin einfließt. Auch dies zeigt, wie weit zurück die Künstlerin in ihren Gedanken über Linie, Kunst, Leben und Prozess geht – nämlich bis an den Ursprung der Höhlenmalerei. Die verschiedenen Einzelformen werden oft in Wiederholung nebeneinander gestellt. Linien und Ballungen sind zu unterschiedlichen und doch ähnlichen Formierungen zusammengebracht. Sie scheinen wie einzelne Ausdrücke einer Sprache zu funktionieren, und unterschiedliche Gefühle eben dieser unbewussten Ausdrucksweise zu versinnbildlichen, wie sie schon die Surrealisten gesucht haben. Der Betrachter kann zumeist keiner Einzellinie folgen, zumindest nicht über große Strecken. Er verstrickt sich im Knäuel und nimmt auf diese Weise selbst Teil an dem verbildlichten Denkprozess. Die Künstlerin selbst kehrt indes ungenutztes kreatives Potential nach außen, indem sie sich von den persönlich erlernten und auferlegten kulturellen Zwängen befreit: Sie wurde, wie so viele ihrer Generation, als Rechtshänderin erzogen, obwohl sie veranlagte Linkshänderin war. Sie hat nun die ungenutzte Hand als kreative Verbindung zu ihrem Körper erfolgreich zurückerobert – sie zeichnet wieder mit links. Auch die Radierung wird von Gabriela Morschett genutzt. Sie bezeichnet ein grafisches Tiefdruckverfahren, das bereits seit Ende des 15. Jahrhunderts genutzt wird. Die Radiernadel bohrt sich hierbei in die glatte Oberfläche der Platte und fügt ihr ‚Verletzungen’ zu, lässt aber nur auf diese Weise das Bild später erscheinen. Fasziniert von diesem ‚Einschreiben’ der Linie, entdeckt Gabriela Morschett schon während ihres Studiums an der Freien Hochschule, Freiburg ihr Interesse und ihre Vorliebe für die Druckgrafik und beherrscht mittlerweile verschiedene Techniken bis zur Perfektion. Zu Zeiten Dürers waren die Radierungen eine beliebte Möglichkeit, Kunstwerke auf eine Druckplatte zu kopieren und sie so für die ganze Welt vervielfältigen zu können - schließlich gab es damals noch keine Photographie, die uns zu jeder Tageszeit und an jedem Ort naturgetreue Abbilder zur Verfügung stellen konnte. Die hier ausgestellten Druckgrafiken bilden aber keinen Realitätsausschnitt als bloßes Abbild auf der Platte ab. Die gezeigten Radierungen scheinen ein inneres Gefühl festzuhalten, den flüchtigen Moment eines inneren Denkprozesses. Titel wie Die Wahrheit oder bewusst und unbewusst bezeichnen diese Prozesse, welche die Künstlerin auf die Druckplatte bannt. Sie scheinen aber trotzdem immer im Fluss zu bleiben und nur für kurze Zeit still zu stehen, um dem Betrachter die Zeit zu geben sie zu erfassen – ihrer Sprache zu folgen. Das Thema Sprache nimmt sie auch in der Radierung Alphabet explizit noch einmal auf. Schon der Titel rekurriert auf das gefundene Mittel, in dem die Künstlerin ihr Innerstes zum Ausdruck bringt. In den ausgestellten Eisendrahtarbeiten erobern die Linien nun vollends den Raum für sich. In großformatigen Knäulen, robusten Gewirren und dünnfaserig, zerbrechlich anmutenden Gespinsten aus Draht sichern sie sich ihre Räumlichkeit. Die Linie, wenn man so will die Lebenslinie, ist nie gerade und akkurat. Sie bewegt sich zu Wellen, Höhen und Tiefen in alle Richtungen. Die entstandenen Drahtknäule erinnern an verstrickte Gedankenwolken. Zumeist ist sie tief verworren, diese Gedankenwolke. Sie bildet Gespinste um uns, in unserem Umfeld und auf unserem Weg und verbindet uns mit unserer Umwelt. Die Skulptur Gedächtnisfalten scheint uns immer schwebend zu begleiten und sich mit uns zu verändern. Denken heißt für Gabriela Morschett selbst zu gestalten – kreatives Potential offenzulegen – und damit das Leben, die Gedankenwelt und die Umgebung an sich zu formen. Bei den Skulpturen erinnert der schwarzgeglühte Eisendraht an die Zeichnungen und Radierungen – und doch verstärkt sich hier die Wirkung der unendlichen Tiefe und Prozesshaftigkeit noch mehr. Das flüchtige Geistesgut tritt nun im Raum dem Betrachter als ebenbürtige Form gegenüber. Die Körpergrenze ist nicht der Endpunkt des Denkprozesses und unserer Existenz. Unsere Selbstdefinition, unsere Position im gesellschaftlichen Feld und unsere zwischenmenschlichen Kontakte erweitern die Verortung nach außen. Kreatives Denken muss nach außen getragen werden, als produktive und gestalterische Kraft. Die Kunst kann hier ein Vorbild sein. Anfangs waren die Drahtskulpturen der Künstlerin auf den Moment der Verdichtung fokussiert und die Kraft die davon ausgeht. Wir haben es hier aber nicht mehr nur mit dichten, undurchsichtigen Knäulen zu tun. In Fester Standpunkt ragen auf einmal einzelne Drahtfäden aus dem Gespinst hervor. Diese neuen filigranen Ausbrüche scheinen mir persönlich am interessantesten. Vielmehr sind sie für mich wie Fühler, die sich auf neue Wege aufmachen, neues Territorium erkunden. Sie scheinen wie kleine Andockstellen nach außen für neue Möglichkeiten, wie leere Synapsen, die offen stehen für neue Potentiale, immer kommunikationsbereit. Gerade sie zeigen am stärksten, dass ein Ende der Verdichtung als Stillstand nie möglich ist. In diesem Sinne sind gerade diese offenen Synapsen wohl die stärksten aller Lebensadern. Und genau deswegen schaffen sie es wohl auch, die gesamte Figur zu tragen und den Standpunkt zu festigen, obwohl sie im Einzelnen doch so zerbrechlich scheinen. Die Arbeit in Serien zeigt ein weiteres Mal die Unfixiertheit der dargestellten Prozesse und den Fokus der Veränderung und Variation des Bestehenden. Auf vielfache Weise veranschaulicht Gabriela Morschett in ihren unterschiedlichen Werken den schöpferischen Prozess als solchen. Durch die Verwendung von den vielfältigen künstlerischen Techniken - wir haben hier die Grafik, die Zeichnung und die Plastik vereint – zeigt die Künstlerin die Omnipräsenz des fließenden Prozessgedanken in allen Bereichen der Kunst und damit auch in allen Bereichen des Lebens. Die eingangs gezeigte Skulptur Glauben zeigt für alle direkt sichtbar im Fenster Reflexionen über feststehende Meinungen und Haltungen. Die feinen Gespinste, welche den Stein umgarnen, zeigen uns: Nichts sollte in Stein gemeißelt sein und für unumstößlich gehalten werden im Leben. Teils verrostete und auch glänzende Drahtfäden spinnen bereits an seiner Weiterentwicklung und neuen Möglichkeiten. Der Mensch ist Schöpfer seines eigenen Seins und wird hier auf die Notwendigkeit des eigenen kreativen Potentials zurückgeworfen. Ein Ende ist nicht in Sicht, denn Auflösung oder Ende des Prozesshaften hieße Nicht-Denken - hieße Stillstand, dem die Künstlerin keine Chance lässt. Sie zeigt vielmehr die Chance für JEDEN zu JEDEM Zeitpunkt auf – seine Entwicklung kreativ SELBST zu bestimmen. Machen sie sich also nun ihre eigenen Gedanken zu den veranschaulichten Prozessen und lassen sie sich einladen selbst Teil dieser Linien- und Gedankenknäule zu werden, denn schon Joseph Beuys wusste: Denken=Freiheit=Leben. |
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Glauben, 2011
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Bewegtes Bündel, 2011, Anpassung, 2011, Fester Standpunkt, 2011 |
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Alphabet, 2011, Auflösung, 2010, Dialog, 2010 |
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